Digitalisieren statt Elektrifizieren

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass wir zwar an vielen Stellen Digitalisierung gepredigt haben, aber letztlich nur eine Elektrifizierung alter analoger Vorgehensweisen dabei herausgekommen ist. Zeit ernst zu machen.

Auf der anderen Seite erleben viele Unternehmen, dass es nach einer Weile der Anwendung immer schwieriger wird, geeignete Prozesse für eine Automatisierung mit RPA zu finden. Die Technologie scheint ab einem gewissen Punkt an ihre technischen und wirtschaftlichen Grenzen zu stoßen. Die hauptsächliche Ursache: unstrukturierte Daten.

Analoge Vorbilder ohne Transformation

An starren Regeln und Bürokratie in Form von einzureichenden Belegen, Bescheinigungen, Urkunden und Korrespondenzen haben wir nicht wirklich etwas verändert. Sicher: als Konsumenten verschicken wir nichts mehr per Post – meistens jedenfalls. Sondern wir reichen unsere Mitteilungen und Wünsche digital ein. Allerdings übersehen wir dabei: sowohl die Erfassung durch den Kunden, als auch die spätere Verarbeitung in den Unternehmen erfolgt immer noch manuell und ist wenig komfortabel. Kunden müssen immer noch wenig benutzerfreundliche Formulare ausfüllen und gescannte Dokumente einreichen – eigentlich wie früher, nur diesmal ohne Briefmarke. Und Unternehmen müssen immer noch E-Mails und Scans manuell verteilen und Vorgangsdaten abtippen - von den manuellen „Cross-Checks“ einmal ganz zu schweigen. Denn die Arbeit in Back Office und Verwaltung bleibt analog. Sie ist durchzogen von Medienwechseln und Recherchen in zig Bestandssystemen. Immerhin: vorne wirkt es „hui“, aber nach hinten …?

Digitalisieren mit angezogener Handbremse

90 Prozent der deutschen Unternehmen sehen Digitalisierung als Chance. Gleichzeitig beträgt der Anteil der deutschen Unternehmen, die im Jahr 2020 ins digitale Geschäft investieren wollen, nur 24 Prozent. Der Digitalverband Bitkom hat dieses Stimmungsbild in einer repräsentativen Umfrage mit 603 Unternehmen ermittelt und ein Positionspapier veröffentlicht. „Digitalisierung erfordert Haltung“ heißt es dort eindringlich. Und Bitkom-Präsident Achim Berg mahnt eindringlich. „Die Coronakrise ist ein Weckruf, die Digitalisierung massiv voranzutreiben.“       

Letztlich – so mein Eindruck – werden häufig lediglich analoge Vorbilder ohne Transformation ins Digitale übertragen. „Elektrifizieren ist Digitalisierung mit angezogener Handbremse“ schreibt der Bitkom. Solche Veränderungen bringen vielleicht etwas mehr Komfort. Aber einen Effektivitätsgewinn bei der Problemlösung erzielen sie nicht. COVID 19 legt die Finger in die Wunden der Digitalisierung. Denn: was wird sich wirklich an unserer Verwaltung und im Dialog mit unseren Kunden verändern?

Digitalisierung beginnt in den Köpfen

Andererseits: Der aktuelle Diskurs rund um die Einführung der Corona App hat gezeigt, dass ein breiter gesellschaftlicher Dialog über den Nutzen Digitaler Lösungen für Ökonomie und Gesellschaft entstanden ist. Und dass meine Kinder durch den virtuellen Unterricht im Homeschooling mittlerweile Zoom, Teams & Co. besser als ich bedienen können, macht mir Hoffnung. Ebenso Beispiele aus meinem Blog-Beitrag über eine gelungene, nachhaltige Digitalisierung von Abläufen, wie Sie auf dem Hackathon der Bundesregierung im April entstanden sind oder die automatisierte Vorgangserfassung mit KI bei RWE und Westnetz.

Im EU Digitalindex liegt Deutschland auf Platz 12 – unter 27 EU-Mitgliedsstaaten und Großbritannien. In der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung sieht es übrigens weiterhin besonders bitter aus. Hier steht Deutschland in der EU nur auf Rang 21.

Traditionelle Abläufe und Projekte sind nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen JETZT die Hoffnung auf eine gute Zeit nach der Krise. „Die Zukunft wird besser sein als wir glauben“, sagt Forscher Pero Mićić zur Zeit danach. Na, hoffentlich hat er recht. 

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